Loader Logo

Der Reiser

– Bernhard Reiser

Ich betreibe ein Restaurant am Würzburger Stein, eine Kochschule in Dettelbach (Mainfrankenpark) und den Zehnthof in Nordheim am Main. Aktuell haben wir 60 Mitarbeiter, davon 13 Azubis und wir lieben das Leben, das Essen und Trinken. Wir sind durch das Label Genussmanufaktur sehr breit aufgestellt: Wir haben ein Sternerestaurant, eine Kochschule und ein Catering-Betrieb, in denen wir unsere Visionen umsetzen, um unseren Gästen eine interessante Arbeit auf hohem Niveau zu bieten.

Der Reiser, Würzburg

Der Reiser im Lockdown

2020 hatte ich eigentlich ein großes Highlight zu feiern: Mein 25-jähriges Firmenjubiläum, für das ich einige Events geplant hatte und eigens auch ein Kochbuch herausgebracht habe: Der Schickimickikoch. Dann kam leider alles anders. Der erste Lockdown war wie ein Tsunami! Im Januar 2020 habe ich noch in Indien gekocht, im März in Prag und war somit geradeso an der anfänglichen Ausbreitungsgrenze des Virus tätig. Im Februar waren schon die ersten Auswirkungen durch Stornierungen spürbar, bevor dann im März die volle Wucht der Pandemie zuschlug. Mir hat es da wirklich den Boden unter den Füßen weggezogen, das war alles sehr emotional, weil ich gemerkt habe, dass diese Situation sich nicht mit vier oder sechs Wochen Lockdown bewältigen lässt. Als der Lockdown kam, habe gelitten wie ein Hund und musste das in den ersten Wochen erstmal verarbeiten. Daraus hat sich dann allerdings eine Energie entwickelt. Man macht sich Gedanken, ob jetzt alles den Bach hinuntergeht, aber dann kam mir die Idee: OK, keine Events mehr, da bricht mir 60 % meines Geschäftes weg, ich muss mich anders aufstellen: Somit habe ich im Lockdown zwei neue Restaurants eröffnet bzw. aus dem Winterschlaf geholt und konnte somit alle meine Mitarbeiter weiter beschäftigen, ohne Kurzarbeit und Sonstiges.

Der Reiser, Würzburg
Ich bin, glaube ich der einzige Gastronom Deutschlands, der so verrückt ist im Lockdown zwei Läden zu eröffnen. Durch meine Kontakte, die Beständigkeit am Markt wurde dieses Unterfangen zum Glück auch sehr wohlgesonnen aufgenommen, gerade auch vonseiten der Ämter mit Konzessionen und Genehmigungen. Das war eine große Aufgabe diese geschlossene Restaurants wiederzubeleben: Es musste geputzt, renoviert und hergerichtet und alles lebensmittelkonform gemacht werden. Bei der Eröffnung und nach den Lockerungen im Mai 2020 ging es dann gleich von null auf hundert: Die Leute wollten raus, Essen auf Terrassen, essen gehen, Hauptsache raus.

Meine größte Herausforderung war die zwei neuen Restaurants an das Niveau der bestehenden Betriebe heranzubringen. Die Pop-up-Restaurants haben dadurch eine ganz neue Dimension erreicht. Mir war es wichtig alle meine Mitarbeiter zu halten, nicht nur um Ihnen Sicherheit und eine Perspektive zu bieten aber auch um mir deren Know-how zu sichern. Ich habe viele Mitarbeiter, die schon seit 10, 15 oder 20 Jahren bei mir sind und die wissen natürlich schon blind was ich mir vorstelle. Solche Leute nicht mehr zu halten wäre für mich der Supergau gewesen, denn ohne sie müsste ich nochmal alleine ganz von vorne anfangen. Das Schöne war, dass wir, obgleich wir im März und April keine Einnahmen erzielt haben, durch unsere Kreativität und die Dynamik im Team bis kurz vor dem zweiten Lockdown wieder irgendwie auf null herausgekommen sind.
Der Reiser, Würzburg
Mit dem zweiten Lockdown im Herbst sind wir und auch unsere Gäste anders umgegangen: Im Gegensatz zum ersten im Frühjahr, bei dem 4–6 Wochen davor schon die Umsätze durch die allgemeine Verunsicherung zurückgingen, hatten sich die Gastronomen über den Sommer schon auf die Situation vorbereitet. Wir haben die Abstands- und Hygienekonzepte umgesetzt, sogar extra einen Wintergarten gebaut und die letzten Wochen vor dem zweiten Lockdown hatten wir die Hütte voll mit Leuten. Die Gäste waren nicht mehr so ängstlich und wollten unbedingt nochmal essen gehen, bevor alles erneut schließen muss. Beim zweiten Lockdown war ich zunächst etwas wehmütig, da November und Dezember normalerweise sehr umsatzstarke Monate sind. Ich konnte meine Lehrlinge in der Zeit bei befreundeten Unternehmen unterbringen z. B. in Supermärkten, Kantinen oder Schulen. Die Mitarbeiterinnen hatten leider über den Sommer auch Überstunden angehäuft, die dann im zweiten Lockdown abgefeiert wurden und mir somit Wirtschaftlich einen sehr schlechten November bescherten: Volle Lohnkosten bei 0 % Umsatz, das war hart. Im Dezember waren wir dann wieder im guten Austausch mit den Mitarbeitern.
Der Reiser, Würzburg
Ich habe einen großen internationalen Kollegenkreis, mit dem ich in Verbindung stehe und da muss man schon sagen: Wir stehen hier in Deutschland verdammt gut da! Meine Frau, die Juristin ist sagt dazu immer: Wenn’s dir nicht passt, dann sag doch mal wie es besser ginge, was würdest du denn machen? Was wäre denn die Lösung, die es jedem recht macht? Ich möchte mich da allerdings nicht nur auf die Politik verlassen, denn mir persönlich müssen die passende Lösungen einfallen, um irgendwie zu überleben.
Der Reiser, Würzburg
Ich freue mich auf Gäste, auf Lächeln ohne Maske und darauf selbst wieder essen zu gehen. Und natürlich auf alles, was kommt, denn wir haben einiges an kreativen Ideen und spannenden Sachen in der Schublade. Beruflich ist Haltung und Disziplin das Wichtigste um solche Situationen erfolgreich zu meistern. Privat ist es für mich das Schönste, dass ich festgestellt habe die richtige Frau geheiratet zu haben. Wir haben in dieser Zeit sehr wenig gestritten und sind uns näher gekommen, dafür bin ich sehr dankbar.

NEXT PROJECT

Café Vue, Würzburg